Es gibt fünf Basisemotionen: Wut, Freude, Angst, Ekel und Traurigkeit. All diese Emotionen haben natürlich Abstufungen. Z. B. kann Wut sich in Ärger, Frustration oder Rage äußern oder Traurigkeit in einer Melancholie oder intensiver Trauer usw.
In unserer Erziehung werden Emotionen in positiv oder negativ eingeteilt. Man sagt uns, weinen ist ein Zeichen von Schwäche, wütend sein ist unangebracht etc. Wir geben also unseren Emotionen eine Wertung. Freude ist gut, alles andere schlecht.
Wichtig ist, dass uns klar wird: es gibt keine negativen Emotionen! Alle Emotionen haben ihre Berechtigung und eine bestimmte Funktion. Im Allgemeinen sind sie dazu da, um uns zu schützen und uns etwas mitzuteilen, z. B. dass uns gerade etwas fehlt oder wir aufmerksam sein sollen… . Das haben wir nur leider im Laufe der Jahrtausende anders bewertet.
In unserer frühkindlichen Entwicklung können wir den Zweck unserer Emotionen noch am deutlichsten sehen. Als Babies und Kleinkinder sind wir noch nicht geprägt, sondern einfach nur, wer wir sind. Wut oder Ärger ist dazu da, um uns abzugrenzen bzw. Grenzen zu setzen. Dafür brauchen wir Durchsetzungskraft oder Bestimmtheit, die sich in einer Form von Aggression äußert. Ich brauche die Basisemotion Wut, die aber keine negative Bedeutung hat, sondern eine sehr wichtige Emotion für unsere Entwicklung ist, um z. B. Nein zu sagen.
Dasselbe gilt für Angst. Ich brauche sie, damit mein Nervensystem „zu macht“ und mich schützt.
Im Bezug auf Traurigkeit verlangsamt mein System. Sie macht mich ruhig oder verlangt von mir Ruhe, die wichtig für meinen Körper und mein Nervensystem ist.
Ekel ist dafür da, um Dinge sprichwörtlich „auszukotzen“, also aus meinem System herauszubekommen.
Bei Freude macht mein System auf. Ich lasse das Umfeld an mich ran, bin aufnahmefähig für die Dinge, die um mich herum geschehen.
All diese Emotionen finden wir auch in körperlicher Ausdrucksweise wieder: Angespannte Muskeln, geballte Fäuste, Magenkneifen, Zittern, Kältegefühl, angespannter Kiefer, ausgestreckte Arme oder auch zusammengekauert. Unser Körper spiegelt unsere Emotionen wider. Und wir brauchen unseren Körperausdruck, um mit anderen Menschen zu interagieren.
Wie ich in meinem letzten Post bereits ausführlich erklärt habe, ist Emotion eine physische, sensorische Wahrnehmung. Wir haben nur leider verlernt, in Kontakt mit unserem Körper zu sein und in uns hineinzufühlen und tatsächlich wahrzunehmen, was wirklich gerade mit uns los ist.
In den meisten Familien gibt es ein oder zwei Emotionen, die nicht erlaubt werden zu fühlen bzw. auszudrücken. Das sind dann die Gefühle die wir, wenn wir älter werden, mit anderen Gefühlen überkompensieren. Werde ich z. B. erzogen, Wut nicht zu fühlen und auszudrücken, wird mir evtl. antrainiert, stattdessen mit Traurigkeit zu reagieren, was wiederum dazu führen kann, dass ich im Erwachsenenalter häufiger in Traurigkeit versinke.
Ein erster Kontakt mit den eigenen Emotionen
Wenn uns bewusst ist, dass alle unsere Emotionen einem Zweck dienen und ihre Berechtigung und Wichtigkeit haben, können wir in einem ersten Schritt einmal genauer hinsehen und spüren, was eigentlich passiert, wenn wir fühlen.
Die Neurowissenschaftlerin Jill Bolte Taylor hat die sogenannte 90-Sekunden-Regel geprägt, die besagt, wenn wir auf etwas in unserer Umgebung reagieren, steht dahinter ein 90 Sekunden dauernder chemischer Prozess, der in unserem Körper passiert. Danach ist die Emotion vorbei. Wenn wir also nach diesen 90 Sekunden in einer emotionalen Reaktion verbleiben, passiert das, weil wir uns dazu entscheiden, in einer emotionalen Dauerschleife zu verharren.
Diese Dauerschleife entsteht, weil wir (unbewusst) zu dieser Emotion eine Erfahrung verknüpft haben, und dann in unserer „Story“ bzw. unserem Narrativ verharren.
Erlauben wir uns aber, die Emotion für 90 Sekunden einfach nur zu fühlen und danach durchzuatmen und zu resetten, hilft uns das, weniger in unserer Geschichte verhaftet zu sein und ggf. ungesunde Verhaltensmuster gar nicht erst zu entwickeln.
Ein Beispiel: Ich bin bei einem Date. Mein Gegenüber sagt oder tut etwas, das ich nicht mag oder nicht gut finde. Das Resultat: ich fühle Ärger.
Jetzt habe ich zwei Optionen:
A: Ich fühle 90 Sekunden lang in mich hinein und drücke meinen Ärger darüber aus, sage was ich fühle, und setze eine Grenze.
Oder B: Ich mache meinem Ärger keine Luft, und verharre den Rest des Abends und wahrscheinlich Tage danach noch in der Emotion.
Was bei Option B passiert ist, dass unser Unbewusstes das Geschehene mit meiner Geschichte und dem eventuell dahinterstehenden Glaubenssatz wie „Alle Männer oder Frauen sind unaufmerksam oder übergriffig oder ignorant oder neunmalklug...“ verbindet, da es bereits erlebte Erfahrungen mit der Emotion Ärger verknüpft.
Entscheide ich mich für Option A, ist mir bewusst, dass mir eine Emotion in dem Moment eine Information geben will. Diese Emotion will mir z. B. mitteilen, dass ich eine Grenze setzen sollte, weil sich Ärger nicht gut anfühlt. Spreche ich also aus, was ich fühle, kann der Ärger verfliegen und ich schaffe nicht nur eine andere Erfahrung, sondern auch eine authentischere Beziehung zu meinen Gegenüber.
Auf unsere Körpergefühle zu hören, die durch unsere Sinneswahrnehmung geprägt sind, hilft uns, uns mit der Realität unserer gegenwärtigen Erfahrung zu verbinden und nicht mit Geschichten, die aus potenziell unangebrachten Überzeugungen entstanden sind. Ausgehend von unserer Realität können wir Entscheidungen treffen, die für uns richtig sind.
Klingt alles sehr einfach? Ich fühle einfach mal für 90 Sekunden lang, was los ist. Du wirst sehen, so einfach ist es gar nicht, weil wir es verlernt haben, in uns hineinzufühlen, da viele unserer intuitiven Reaktionen zu einem körperlichen Stimulus unterdrückt oder remodelliert wurden.
Wie wir mit unseren Emotionen arbeiten können
In der Körperpsychotherapie geht es darum, den Menschen von seiner Geschichte zu trennen und ausschließlich ins Fühlen zu bringen, besonders in die Emotionen, die häufig schwierig für uns sind (z. B. Angst oder Wut). Wir lernen, dass alle Emotionen ihren Raum haben und gespürt werden dürfen, auch körperlich. Mit dem Körper und Bewegung zu arbeiten, ermöglicht uns, in der Gegenwart zu sein und uns nicht sofort mit der Vergangenheit und unserer Geschichte zu verbinden. Damit entkoppeln wir uns auch davon, jedem Gefühl sofort eine Bedeutung zu geben. Wir erlauben uns, einfach nur zu fühlen und schaffen so die Basis für ein authentisches Selbst.
Eine der schwierigsten Emotionen körperlich zu fühlen, ist die Angst, weil sie sich bedrohlich anfühlt.
Ich selbst habe Jahre gebraucht, bis ich Angst spüren konnte. Bis dahin habe ich Angstgefühle immer mit Wut wettgemacht, denn ich kann mich sehr gut mit Wut verbinden. Ich hatte keine Ahnung, wie sich Angst im Körper anfühlt: trockener Mund, schweißnasse Hände, Kälte, ich kann nicht klar denken, ich bin leicht dissoziiert, und spüre ein tief gelegenes Zittern. Ich war es gewöhnt, in der Wut zu leben, also war es sehr schwer, in die Angst hineinzufühlen. Denn immer wenn Angst an meiner „Oberfläche“ gekratzt hat, wurde als mein Schutzmechanismus die Wut ausgelöst. Sie hat mich davor geschützt, Angst zu spüren. Das wiederum hat mich im Leben viele ungute Entscheidungen treffen lassen. Dazu aber mehr in einem anderen Blogbeitrag.
Ein Tipp zum Schluss
Schau dir den Film “Alles steht Kopf” oder im Original “Inside out” an. Ich empfehle das oft meinen Klienten, denn es gibt auf eine sehr leichte und auch lustige Weise sehr gute Informationen darüber, wie unsere Emotionen funktionieren.
Wenn du mehr über deine emotionale und Gefühlswelt lernen möchtest, vereinbare direkt ein unverbindliches kostenfreies Erstgespräch.
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